Ingeborg Lüscher. Spuren vom Dasein. Werke seit 1968

28. Oktober 2021 bis 18. April 2022
Museum unter Tage / Situation Kunst (für Max Imdahl)

Erstmals seit 15 Jahren wird ab Oktober 2021 das Werk von Ingeborg Lüscher in Deutschland in der vollen medialen Bandbreite zu sehen sein – und zwar im Museum unter Tage von Situation Kunst.

Anlässlich des 85. Geburtstages der Künstlerin werden in der Bochumer Retrospektive zentrale Werke aus allen Schaffensperioden ausgestellt, die einen Überblick über ihre eindrucksvolle künstlerische Tätigkeit seit den späten 1960er Jahren eröffnen. Neben fotografischen Arbeiten werden sowohl Skulpturen, Rauminstallationen, Objekte, Videos und Malerei präsentiert. Was all die verschiedenen Werkgruppen miteinander verbindet, ist der spannungsvolle Einsatz unkonventioneller Materialien wie Seife, Zigarettenstummel, Flusen oder Busreifen. Seit den 1980er Jahren taucht dann vor allem das strahlend leuchtende Gelb des Schwefels als verbindendes Element in zahlreichen Bildern, Fotografien und Plastiken auf und wird der Künstlerin zum Inbegriff des Lichtes. Ingeborg Lüscher lebt und arbeitet im Tessin. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen seit den späten 1960er Jahren haben ihr internationales Renommée beschert. Sie war unter anderem auf der legendären documenta 5 (1972) vertreten, sowie zweimalige Teilnehmerin der Biennale di Venezia

Ingeborg Lüscher hat der Stiftung Situation Kunst einen Großteil ihres künstlerischen Nachlasses geschenkt und eröffnet so die einzigartige Möglichkeit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Gesamtwerks der Künstlerin. Da die Stiftung Situation Kunst der Ruhr-Universität Bochum assoziiert ist, steht Lehrenden und Studierenden (v.a. der Kunstgeschichte) das Konvolut für die wissenschaftliche Auseinandersetzung in Forschung und Lehre zur Verfügung.

Zur Ausstellung

Seit Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit in den späten 1960er Jahren hat Ingeborg Lüscher (*1936 in Freiberg) ein umfangreiches künstlerisches Werk entwickelt.
In ihrem vielschichtigen Gesamtwerk finden sich neben fotografischen Arbeiten sowohl Skulpturen, Objekte, Rauminstallationen und Malerei, als auch Performances und Videos. Was all die verschiedenen Werkgruppen miteinander verbindet, ist der spannungsvolle Einsatz unkonventioneller Materialien wie Seife, Zigarettenstummel oder Busreifen. Vor allem das strahlend leuchtende Gelb des Schwefels taucht seit den 1980er Jahren als verbindendes Element in zahlreichen Bildern, Fotografien und Plastiken auf und wird der Künstlerin zum Symbol des Lichtes. Da Lüschers künstlerisches Denken immer auf Ganzheit bezogen ist, nutzt sie die Schwärze des Materials Asche als Symbol der Dunkelheit und Gegenpol des Schwefels, so dass die Polarität von Gelb und Schwarz zu einer durchgängigen Komponente ihres OEuvres geworden ist.

Grundlegende Themen wie Leben und Tod, Liebe und Eros werden in ihren Arbeiten anhand dieser materialbezogenen Konfrontationen thematisch und bilden eine inhaltliche Klammer um das Gesamtwerk. Lüscher interessiert die Realität jenseits des Sichtbaren und Erklärbaren, sie beschäftigt sich mit Träumen und Prophezeiungen und befragt auch die Rolle des Zufälligen in der Gestaltung und Wahrnehmung von Realität. Sie stellt dabei immer wieder aufs Neue die subjektive Erfahrung von Realität heraus, beispielsweise in der Foto-Serie Wie ich beginne die Welt zu erleben, oder: Ich kenne den Sinn und die Worte, nur die Dinge sind über mir (1975-79), in der sie die Perspektive kindlicher Wahrnehmung einnimmt.

 

Mit ihrer fotografischen Dokumentation über A.S. (1972), die das Leben des Schweizer Einsiedlers Armand Schulthess zum Inhalt hatte, wurde Lüscher 1972 von ihrem späteren Lebenspartner Harald Szeemann zur documenta 5 eingeladen. 1992 war Lüscher mit einigen ihrer Schwefelskulpturen ein weiteres Mal auf der documenta vertreten. Nachdem die Künstlerin sich Ende der 1990er Jahre dem Video als Medium zugewandt hatte, folgten 1999 und 2001 Einladungen zur Biennale in Venedig, wo sie u.a. das Video Fusion (1999-2001) zeigte. Diese Arbeit steht exemplarisch für eine weitere inhaltliche Ausrichtung des Werks der Künstlerin, die in den 2000er-Jahren entstanden sind und gesellschaftlich-politisch relevante Themen aufgreifen. So werden beispielsweise in Fusion Männlichkeit und Emotionalität als scheinbar unvereinbare Aspekte hinterfragt, während die Videoinstallation The Game is Over (2003-07), die bereits zum Bestand der Dauerausstellung Weltsichten im Museum unter Tage gehört, das Verhältnis von Mensch und ‚Natur‘ zum Gegenstand hat.

Auch die rauminstallativen Arbeiten werden von einer gesellschaftskritischen Haltung geprägt, die dabei immer auch von Humor zeugen. Während Das Herz auf dem Weg zur Werdung (1975) augenzwinkernd die Vorstellung einer objektiven wissenschaftlichen Realitätserfahrung hinterfragt, thematisieren die gesammelten Flusen des Pesto Cotonese (1989-99) die Erfahrung und Darstellung von Körperlichkeit. Das Bernsteinzimmer als spektakuläre Nachempfindung seines Vorbilds aus 9000 Seifenstücken der Marke Sole, ruft wiederum die politischen Hintergründe des historischen Bernsteinzimmers auf.

Das Bernsteinzimmer wird im Rahmen einer erstmaligen Kooperation im Kunstmuseum Bochum zu sehen sein, die den Auftakt zu einer enger geplanten zukünftigen Zusammenarbeit der beiden Ausstellungsorte bilden wird. Durch die zeitgleiche, einander ergänzende Präsentation an zwei Orten wird das Projekt zweifellos eine besondere Sichtbarkeit erlangen.

In der ersten großen Werkschau im deutschsprachigen Raum seit 2006 werden in der Präsentation zentraler Werke ihres OEuvres Lüschers künstlerische Vorgehensweisen und Themen anschaulich erfahrbar. Um die kunsthistorische Relevanz Ingeborg Lüschers als eine der vergleichsweise wenigen Künstlerinnen zu unterstreichen, die bereits in den siebziger Jahren ein internationales Renommée genossen und bis heute künstlerisch bedeutend und produktiv geblieben sind, wird es neben der Retrospektive im Museum unter Tage eine kontextualisierende Ausstellung im Kunstmuseum Bochum geben.

Während im Kunstmuseum Bochum im Rahmen der Ausstellung "Warum ist nicht alles schon verschwunden?" die Rauminstallation Das Bernsteinzimmer gezeigt und mit Werken u.a. von Joëlle Tuerlinckx, Alexandra Bircken, Silvia Bächli, Laure Prouvost und Zofia Kulik in einen anschaulichen kunsthistorischen Bezugsrahmen gesetzt wird, gibt die Retrospektive im Museum unter Tage einen Überblick über die beeindruckende mediale und künstlerische Bandbreite Ingeborg Lüschers.

Kooperationspartner

Als der Ruhr-Universität Bochum assoziierter Ausstellungsort und in der Kooperation mit der Professur für Museale Praxis des Kunstgeschichtlichen Instituts der RUB ist die Ausstellung Gegenstand der theoretischen sowie praktischen Ausbildung der Studierenden. Die Mitarbeit an der Katalogproduktion, begleitende Seminare sowie die Arbeit vor Originalen ermöglichen den Studierenden einen Einblick in die Ausstellungsarbeit. Die einzigartige Möglichkeit, ein so komplexes Werk wie das Ingeborg Lüschers in Zukunft der internationalen wissenschaftlichen Bearbeitung zugänglich zu machen, wird von dieser Stelle in Zusammenarbeit mit der Stiftung Situation Kunst aus koordiniert. Die Schenkung des Konvoluts ist mit dem Anspruch verbunden, das Werk Lüschers wissenschaftlich aufzubereiten und für internationale Ausstellungsprojekte verfügbar zu machen.
Erstmals in der Geschichte der beiden Institutionen wird die Ausstellung als Kooperationsprojekt zwischen Situation Kunst und dem Kunstmuseum Bochum durchgeführt.

Reprofähige Abbildungen (bitte VG-Bild Rechte beachten)

Pressemappe

Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation.
Ein interdisziplinäres Veranstaltungsprogramm begleitet die Ausstellung.

Förderer

Verein der Freunde und Förderer der Kunstsammlungen des
Kunstgeschichtlichen Instituts in der Ruhr-Universität Bochum »Situation Kunst - Haus Weitmar«