Ingeborg Lüscher – "Menschenkünstlerin"

Ingeborg Lüscher – "Menschenkünstlerin"
Ein Vortrag von Renate Petzinger am Donnerstag, 2. Dezember 2021, 18 Uhr

In ihrem Vortrag wirft Renate Petzinger den Blick auf das zwischen 1967 und heute entstandene Gesamtwerk von Ingeborg Lüscher. Sie stellt heraus, auf welch vielschichtige Weise dieses Werk direkt und indirekt immer wieder um reale und metaphorische Energien menschlichen Lebens und Erlebens kreist. Aus gutem Grund beschreibt daher Hans-Joachim Müller, einer der besten Kenner ihres Werkes, Ingeborg Lüscher als "Menschenkünstlerin". Um Spuren menschlichen Lebens geht es in Ingeborg Lüschers frühen Stummelarbeiten ebenso wie in ihrer Dokumentation der Begegnung mit dem Außenseiter Armand Schulthess. Eher symbolhaft durchziehen diese Spuren aber auch die Hommagen der Künstlerin an das Licht, in denen das Material Schwefel sich paart mit der Finsternis von Asche und Acryl. Ganz offensichtlich werden diese Spuren aber vor allem in Ingeborg Lüschers Videoinstallationen – sei es am Beispiel der Leidenschaft des Fussballs oder der Ekstase einer chinesischen Variante des Schnick Schnack Schnuck-Spiels, sei es aber auch am Beispiel des Konflikts zwischen Israel und Palästina, in dem es um menschliche Trauer, um die Sinnlosigkeit von Kriegen und um die Frage nach einer Möglichkeit gegenseitigen Vergebens geht.

Ingeborg Lüscher und Renate Petzinger kennen sich seit 30 Jahren. Erstmals begegneten sie einander, als Volker Rattemeyer vom Museum Wiesbaden die zweifache documenta-Teilnehmerin Ingeborg Lüscher zu einer monografischen Ausstellung einlud, die im Frühjahr 1993 eröffnet wurde. Renate Petzinger gehörte zum wissenschaftlichen Team des Museums und war mitverantwortlich für die Konzeption und Organisation der Ausstellung sowie für die Katalogredaktion. Als Besonderheit umfasste dieser Katalog – zusätzlich zur Präsentation der ausgestellten Arbeiten in Wort und Bild – das von Renate Petzinger erarbeitete Werkverzeichnis aller bis 1993 von Ingeborg Lüscher realisierten Arbeiten.
Am Ende der Wiesbadener Ausstellung stand ein Versprechen: Die Künstlerin und die Kunstwissenschaftlerin wollten und würden die Arbeit an diesem Werkverzeichnis fortsetzen. Beide verloren sich nicht aus den Augen und erneuerten ihre Zusammenarbeit, als Ingeborg Lüscher im Jahre 2006 zum zweiten Mal im Museum Wiesbaden ausstellte. 2015 begann die intensive Phase der Erarbeitung des Gesamtverzeichnisses aller zwischen 1967 und 2018 entstandenen Werke, das seit September 2018 als Online Catalogue Raisonné öffentlich verfügbar ist (http://ingeborgluescher.com).

 

Kurzbiografie Renate Petzinger

Nach dem Studium der Architektur in Berlin und der Promotion zum Dr. phil. in Kassel wechselte Renate Petzinger (*1943) von der Architektur zur Kunstwissenschaft. Von 1990 bis zu Ihrer Pensionierung Anfang 2010 war sie Baubeauftragte und Ausstellungskuratorin beim Museum Wiesbaden und seit 2006 dessen stellvertretende Leiterin. In verschiedenen Funktionen wirkte sie bei monographischen Ausstellungen zahlreicher documenta-Künstlerinnen und -Künstler mit und war bzw. ist in diesem Kontext als (Mit-) Herausgeberin an der Erarbeitung von Werkverzeichnissen zu den Arbeiten von Jochen Gerz, Dietrich Helms, Eva Hesse, Ilya Kabakov, Kazuo Katase und Ingeborg Lüscher beteiligt.
Seit 2014 lebt und arbeitet Renate Petzinger als Wissenschaftlerin, Autorin und Beraterin in Hamburg und Kassel.