Keine Tabus? Einige Aspekte von Kunst und Kultur in Erich Honeckers DDR

Ein Vortrag von Dr. Frank Hoffmann (Institut für Deutschlandforschung, RUB) im Begleitprogramm der Ausstellung 'Dietmar Riemann – Innere Angelegenheiten'

23.02.2023, 18 Uhr – Museum unter Tage

Ein halbes Jahr, nachdem er Walter Ulbricht von der Spitze der Staatspartei verdrängt hatte, überraschte der neue Erste Sekretär des Zentralkomitees der SED, Erich Honecker, die Kulturwelt, nicht nur in der DDR: Wenn man „von der festen Position des Sozialismus“  ausgehe, sollte es  „auf dem Gebiet von Kunst und Literatur keine Tabus geben“! Man traute den Ohren nicht, galt doch gerade Honecker seit dem „Kahlschlag“-Plenum 1965 als der kulturpolitische Hardliner. Doch tatsächlich war für einige Jahre vieles möglich, was vorher undenkbar schien. Man denke an kritische Gegenwartsfilme wie „Der Dritte“ (1972) und „Die Legende von Paul und Paula“ (1973)), an Bücher wie „Das Impressum“ von Hermann Kant“ und „Nachdenken über Christa T.“ von Christa Wolf, die jetzt dauerhaft „frei gegeben“ wurden, nicht zuletzt an Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“: 1972 in Halle (Saale) als Stück uraufgeführt, fand der Prosatext mit über 20 Übersetzungen wie als (westdeutscher) Film internationale Aufmerksamkeit. In der Bildenden Kunst setzte sich die Leipziger Schule endgültig durch, die dem „sozialistischen Realismus“ ganz unterschiedliche Facetten abgewann und spätestens mit der Documenta 1977 auch weltweite Anerkennung fand. Aber die Hoffnungen auf Toleranz und in das Versprechen, „Weite und Vielfalt“ in der Kultur zu fördern, trogen. Spätestens mit der Ausbürgerung von Wolf Biermann (1976) und dem Protest dagegen hagelte es wieder Verbote; viele Künstlerinnen und Künstler verließen Honeckers Land. Die DDR-Kultur spaltete sich endgültig in eine systemkonforme Linie, in Dissidenz und Widerstand und eine Exil-Kultur der im Westen Wirkenden.

Der Vortrag versucht die teils widersprüchlichen Entwicklungen von Kunst und Kulturpolitik in der DDR ab 1970, auch mit vergleichenden Rückblicken in die Jahre zuvor, knapp zu skizzieren, ohne dabei die Menschen aus dem Blick zu verlieren, die Kunst produzierten und rezipierten und die auch im Wissen um manche Grenzen und Verbote sich immer neu ermutigten, das eigene künstlerische Projekt voranzutreiben, so lange, wie es ihnen irgendwie möglich erschien.

Die Teilnahmgebühr beträgt 5 Euro, ermäßigt 3 Euro.
Die Veranstaltung findet im Foyer des Museums unter Tage statt.